VfGH-Beratung über Sterbehilfe in öffentlicher Verhandlung im September

30. Juni 2020

Nach den §§ 77 und 78 des Strafgesetzbuchs ist Sterbehilfe (Tötung auf Verlangen, Mitwirkung am Suizid) verboten. Beides ist mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren zu bestrafen. Beginnend mit der Juni-Session wird sich der Verfassungsgerichtshof (VfGH) mit dieser Thematik beschäftigen und das geltende Verbot mit Blick auf das Recht auf (Privat) Leben genauer unter die Lupe nehmen. Eine öffentliche Verhandlung ist für September eingeplant.

Vier Antragsteller – darunter zwei schwer Kranke – halten nach einer Veröffentlichung des VfGH nämlich das Verbot der aktiven Sterbehilfe und das Verbot der Mitwirkung am Suizid aus mehreren Gründen für verfassungswidrig und haben daher beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung dieser beiden Bestimmungen des Strafgesetzbuches beantragt: Durch diese Rechtslage würden leidende Menschen gezwungen, entweder entwürdigende Verhältnisse zu erdulden oder – unter Strafandrohung für Helfer – Sterbehilfe im Ausland in Anspruch zu nehmen.

Bereits im Februar 2020 erging in Deutschland durch das Bundesverfassungsgericht eine diesbezüglich richtungsweisende Entscheidung. Der § 217 deutsches Strafgesetzbuch regelt das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung. Es bedroht denjenigen mit Strafe, der in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt. Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat am 26.2.2020 entschieden, dass dieses Verbot gegen das deutsche Grundgesetz verstößt und nichtig ist. Begründung: Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Dieses Recht schließt die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und hierbei auf die freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen. Die in Wahrnehmung dieses Rechts getroffene Entscheidung des Einzelnen, seinem Leben entsprechend seinem Verständnis von Lebensqualität und Sinnhaftigkeit der eigenen Existenz ein Ende zu setzen, ist im Ausgangspunkt als Akt autonomer Selbstbestimmung von Staat und Gesellschaft zu respektieren. Lesen Sie hier weitere Details zur Entscheidung.

Auch die Bioethikkommission beim österreichischen Bundeskanzleramt hat 2015 Empfehlungen in ihrer Stellungnahme zum Thema „Sterben in Würde“ veröffentlicht. Diesbezüglich sprachen sich 16 der 25 Kommissionsmitglieder für eine Reform des § 78 StGB („Mitwirkung am Selbstmord“) aus. Eine neue Norm soll nach den Anhängern dieses Votums sowohl dem Prinzip der Aufrechterhaltung der sozialen Norm der Suizidprävention, als auch dem Schutz vor Fremdbestimmung vulnerabler Personen Rechnung tragen, jedoch ebenso eine individuelle Hilfe in Ausnahmefällen zulassen.

Nach einer Pressemitteilung des VfGH wird die Juni-Session im Juli fortgesetzt. Zudem wurde klargestellt, dass das Thema Tötung auf Verlangen („aktive Sterbehilfe“) im Herbst erneut auf der Tagesordnung stehen wird. Es wird voraussichtlich Gegenstand einer öffentlichen Verhandlung im September sein. 

Quelle:
Öst. Verfassungsgerichtshof (Link)
Öst. Verfassungsgerichtshof – Überblick über Juni-Session (Link)
Öst. Verfassungsgerichtshof – Update über Session per 30.6.2020 (Link)
Beitrag im FORUM Gesundheitsrecht aus Anlass des Urteils in Deutschland vom Februar 2020 mit weiteren Details (Link)