Intraossärer Zugangsweg als Notfallkompetenz für Sanitäter?

26. August 2016

Im österreichischen Sanitätergesetz (SanG) sind in den §§ 9-12 die Kompetenzen der Sanitäter definiert. Die Notfallkompetenzen, die aufbauend zur Qualifikation als Notfallsanitäter erworben werden können, sind abschließend geregelt und erfahren ihre Grenzen in der jeweiligen Umschreibung.

So ist es Notfallsanitätern mit der Notfallkompetenz „Arzneimittellehre“ (NKA) erlaubt, spezielle Arzneimittel zu verabreichen, soweit diese zuvor durch den für die ärztliche Versorgung zuständigen Vertreter der jeweiligen Einrichtung (§ 23 SanG) schriftlich zur Anwendung freigegeben wurden (Arzneimittelliste 2). Weiters umfasst die Notfallkompetenz „Venenzugang und Infusion“ (NKV) die Punktion peripherer Venen und Infusion kristalloider Lösungen. Zu guter Letzt kann die aktuell höchste Notfallkompetenz „Beatmung und Intubation“ (NKI) erworben werden, die zur Durchführung der endotrachealen Intubation ohne Prämedikation berechtigt (§§ 11, 12 SanG).

Laut herrschender juristischer Auffassung ist ein intraossärer Zugangswegs aktuell nicht von den im SanG beschriebenen Notfallkompetenzen umfasst. Bei der “NKV” ergibt sich dies aufgrund der eindeutigen Umschreibung der Art des Zugangsweges (Punktion peripherer Venen). Im Bereich der “NKI” hat der Gesetzgeber in § 12 SanG zwar eine demonstrative Aufzählung der besonderen Notfallkompetenzen vorgenommen (insbesondere …), doch ist aufgrund systematischer Erwägungen (vor allem § 12 SanG in Verbindung mit § 13 SanG) nicht abzuleiten, dass der Gesetzgeber es allein dem ärztlich Verantwortlichen der jeweiligen Einrichtung (§ 23 SanG) überlassen möchte, weitere Notfallkompetenzen im Alleingang festzulegen, zumal sich sonst die Notfallkompetenzverordnung nach § 13 SanG ad absurdum führen würde. Dies wird auch durch die Erläuterungen zum SanG aus 2002 untermauert: “Die demonstrative Aufzählung der besonderen Notfallkompetenzen berücksichtigt im Zusammenhang mit § 13 die rasante Entwicklung im Bereich der Notfallversorgung. Sofern zukünftig einzelne Tätigkeiten entsprechend dem Stand der medizinischen Wissenschaft aus fachlicher Sicht Notfallsanitätern/Notfallsanitäterinnen nach Maßgabe der erforder­lichen Kenntnisse und Fertigkeiten übertragen werden können, wird es daher keiner Gesetzesänderung bedürfen.” Aus Rechtssicherheits- und Patientenschutzgründen ist bezüglich einer weiteren Notfallkompetenz “intraossärer Zugangsweg” unseres Erachtens jedenfalls eine Verordnung nach § 13 SanG von Nöten. Nach § 13 SanG kann somit die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen entsprechend dem Stand der medizinischen Wissenschaft weitere Notfallkompetenzen sowie Zusatzbezeichnungen festlegen und bestimmen, welche Ausbildung für die jeweilige Anwendung erforderlich ist.

Aktuell sprechen sich Vertreter diverser Rettungsorganisationen für die Sinnhaftigkeit dieser Notfallmaßnahme aus und befürworten eine Anwendung durch Notfallsanitäter im Rahmen von Notfallkompetenzen. Im Zuge dessen werden entsprechende Schreiben an das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen übermittelt. Eine diesbezügliche Verordnungsanregung kann von jedermann und formfrei eingebracht werden.